© DAV/Petra Wiedemann

Gemeinsam Hütten und Wege retten

Notruf aus den Alpen - Petition des Österreichischen Alpenvereins

11.09.2024

Es ist Sommer, Ferienzeit – Hochsaison in den Bergen und auf den Hütten. Doch unser aller liebstes Urlaubsziel ist in Gefahr, denn: der Klimawandel trifft die Alpen besonders stark. Der Österreichische Alpenverein hat daher eine Petition gestartet.

Der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf die Infrastruktur, die immerhin 272 Schutzhütten und 50.000 Kilometer Wanderwege in Österreich umfasst. Durch tauenden Permafrost bröckeln Hütten teils buchstäblich weg, immer häufigere Extremwetterereignisse sorgen für Felsstürze und machen Wege unpassierbar. Um sie instand halten und zukunftssicher machen zu können, fordert der Verband alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ) zusätzliche finanzielle Unterstützung von der Regierung in Wien.

Gerade einmal 18 Prozent der laufenden Instandhaltungskosten für Hütten werden aktuell von den Fördermitteln für die alpinen Vereine gedeckt. Dabei geht ein Teil der Gelder auch in andere Bereiche wie Wege oder Kletteranlagen. Um Schutzhütten und Wanderwege für die Erholungssuchenden am Berg weiterhin zu bewahren, ist ein Rettungspaket von 95 Millionen Euro nötig. Außerdem soll die finanzielle Unterstützung im Regierungsprogramm verankert werden. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, sammelt der VAVÖ mit der Kampagne "Notruf aus den Alpen" nun Unterschriften aller Bergbegeisterten.

Hintergründe zum Notruf aus den Alpen - Im Interview Clemens Clatt, Generalsekretär des ÖAV

Die Kampagne "Notruf aus den Alpen" läuft seit über zwei Monaten. Wie kam es zu der Idee und was versprechen sich die Initiatoren davon?

Die Idee zur Kampagne "Notruf aus den Alpen" entstand aus der dringenden Notwendigkeit heraus, auf den Zustand vieler alpiner Infrastrukturen aufmerksam zu machen. Die Hütten und Wege in den Alpen sind ein wesentlicher Teil unseres kulturellen Erbes und ein wichtiger Faktor für den nachhaltigen Tourismus. Mit der Kampagne möchten die alpinen Vereine in Österreich das Bewusstsein für die aktuellen Herausforderungen schärfen, vor denen wir stehen, insbesondere angesichts des Klimawandels. Das Ziel ist es, Unterstützung zu mobilisieren, sowohl finanziell als auch politisch, um die notwendige Sanierung und Instandhaltung sicherzustellen.

Man liest viel über die - mit der Klimaerwärmung immer brisanter werdende - Notwendigkeit, die Hütten in den Alpen zu sanieren und zukunftssicher zu machen. Gilt das auch für die Instandhaltung des Wegenetzes, und gibt es da ebenfalls bereits Finanzierungsengpässe?

Ja, die Notwendigkeit zur Sanierung betrifft nicht nur die Hütten, sondern auch das Wegenetz in den Alpen. Der Klimawandel führt zu veränderten Wetterbedingungen, die Erosion und Schäden an Wegen begünstigen. Diese infrastrukturellen Herausforderungen erfordern erhebliche finanzielle Mittel für Instandhaltung und Anpassung. Leider gibt es auch hier Finanzierungsengpässe, die es schwierig machen, alle notwendigen Arbeiten zeitnah durchzuführen. Hinzu kommen immer häufiger auftretende Wegeschäden aufgrund von Extremwetterereignissen, die auch die Materialkosten (Werkzeuge, Brücken, Materialien, Schulungsmöglichkeiten für Ehrenamtliche) in die Höhe treiben. In den letzten zehn Jahren mussten die regulären Investitionskosten zur Aufrechterhaltung der Wege beim Österreichischen Alpenverein nahezu verdoppelt werden. Wenn keine Ehrenamtlichen gefunden werden, müssen diese Arbeiten an externe Wegebautrupps ausgelagert werden, was die Kosten um das Zehnfache erhöht. Die ehrenamtliche Tätigkeit ist daher von unschätzbarem Wert, da sie den Erholungssuchenden am Berg ermöglicht, die Wege kostenfrei zu nutzen und das Bergerlebnis zu genießen.

Angenommen, die Kampagne ist erfolgreich: Wofür wird das Geld konkret eingesetzt?

Sollte die Kampagne erfolgreich sein, wird das Geld vor allem für die Sanierung und den Erhalt von Schutzhütten sowie für die Pflege und Instandhaltung des Wegenetzes eingesetzt. Konkret bedeutet dies, dass notwendige Reparaturen durchgeführt, teils über 100 Jahre alte Schutzhütten generalsaniert oder sogar ersetzt, energiesparende Maßnahmen implementiert und Sicherheitsstandards verbessert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Anpassung an die klimatischen Veränderungen, um die Infrastrukturen langfristig zu sichern.

Sollte der Worst Case eintreten, die Kampagne ist nicht erfolgreich und die Regierung stellt keine weiteren Mittel zur Verfügung - welche Auswirkungen hätte das für die alpinen Vereine in Österreich und damit auch für Hütten, Wege, Bergsportler*innen etc.?

Der Worst Case könnte gravierende Auswirkungen auf die alpinen Vereine und die gesamte Bergsportgemeinschaft haben. Ohne ausreichende finanzielle Mittel könnten viele Hütten geschlossen werden, was den Zugang zu den Bergen erschweren würde. Auch der Zustand des Wegenetzes würde zunehmend unsicherer werden, was das Risiko für Bergsportler erhöht. Dies hätte nicht nur Auswirkungen auf den Tourismus, sondern auch auf die Sicherheit und das kulturelle Erbe der Region. In einem solchen Szenario könnte die alpine Infrastruktur auf jene Hütten und Wege reduziert werden, die von einer besonders starken Sektion unterstützt werden, sei es durch ihre Größe, ihre Unterstützer oder das ehrenamtliche Engagement. Bei anderen Hütten könnten einzelne Sanierungen nicht mehr finanziert werden, und es könnte schwierig werden, behördliche Genehmigungen oder die erforderlichen Pächter zu bekommen, was zu einem Verfall der Hütten führen würde. Eine Hütte, die nicht mehr genutzt werden kann, zieht oft auch den Rückzug aus der Wegbetreuung nach sich, was zur Folge hat, dass Weitwanderwege nicht mehr funktionieren und das gesamte Netzwerk von Hütten und Wegen langfristig zerfällt.

Gibt es schon Rückmeldungen zur Kampagne? Haben sich vielleicht sogar politische Reaktionen ergeben?

Die Kampagne hat bereits positive Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit und von Unterstützern erhalten. Viele Menschen erkennen die Bedeutung der alpinen Infrastruktur und haben die Kampagne durch Unterschriften auf der Plattform notruf-aus-den-alpen.at unterstützt. Auch aus der Politik gibt es erste Reaktionen, die auf ein wachsendes Bewusstsein für die Problematik hinweisen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob und in welchem Umfang konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um die Finanzierungslücken zu schließen. Die Kampagne hat jedoch bereits dazu beigetragen, das Thema auf die politische Agenda zu setzen.

Rettungspaket für die alpine Infrastruktur

Die Ursachen für die finanzielle Notlage sind vielfältig: Zum Teil sind die Hütten bereits 150 Jahre alt. Größere Sanierungs- und Ersatzbauprojekte haben sich aufgrund der begrenzten und wertreduzierten Mittel über die Jahre hinweg angestaut. Die Bewirtschaftungszeiten der Hütten sind kurz und die Bedingungen erschwert. Nahezu keine Hütte kann die Instandhaltungskosten aus dem laufenden Hüttenbetrieb finanzieren. Auch bei den Wegen haben die Kosten für Baumaterial sich in den letzten Jahren vervielfacht, mehr Wetterextreme infolge der Klimakrise verursachen häufiger schwere Schäden. Dabei ist ein intaktes Netz von Wegen und Schutzhütten für die Sicherheit von Wandernden unverzichtbar. Die Vereine sind auf Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuschüsse der öffentlichen Hand angewiesen, um die alpine Infrastruktur aufrecht zu erhalten.

Jetzt mitmachen - und Petition unterschreiben

Maßnahmen im DAV

Wir haben mit DAV-Vizepräsident Ernst Schick von der Sektion Straubing über die Lage im DAV gesprochen. Der Klimawandel macht ja nicht an der Grenze Halt, sondern betrifft unsere Hütten und Arbeitsgebiete (viele davon auf österreichischem Boden) genauso.

Wie ist die Lage beim DAV? Sind unsere Wege, unsere Infrastrukturen auch betroffen?

Auch uns ist selbstverständlich bewusst, dass Handlungsbedarf besteht. Es sind ja alle Alpenregionen vom Klimawandel betroffen. Besonders im Hochgebirge sehen wir sehr kritische Massebewegungen, hier muss man einschätzen, welcher Schaden an Menschen, Tieren und Infrastruktur angerichtet werden kann. Es gibt oft Fels- und Bergstürze sowie Hangbewegungen, die recht unterschiedliche Ursachen haben können und sehr komplex sind. Wichtige Ursachen sind z.B. Extremwetterereignisse, stärkere Temperaturschwankungen, die vermehrt zu Steinschlag führen, und intensivere Tau-Gefrier-Zyklen mit Frostsprengungen. Auch die Gletscherschmelze bereitet uns Sorgen. Gletscher halten mit ihren enormen Eismassen den Berg stabil. Wenn die Gletscher nicht mehr da sind, geht die Stütze des Bergs verloren.

Was tut der DAV dagegen? Was sind unsere Möglichkeiten?

Generell sind unsere Möglichkeiten begrenzt, wir können die Ursachen nicht abstellen. Wir haben uns selbst in der Hauptversammlung ein Klimaschutzkonzept auferlegt, wir wollen bis 2030 klimaneutral werden. Das heißt, wir wollen als Verein einen Beitrag zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels leisten. Wir werden ihn aber natürlich nicht komplett aufhalten können. Man weiß aus Forschungsergebnissen, dass sich die Alpen stärker erwärmen als der normale Lebensraum, das heißt unser Betätigungsbereich in den Bergen wird gefährdeter sein als unser Wohnbereich. Die Infrastruktur, also die Hütten und Wege, ist so ungefähr in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet worden, also gegen Ende der kleinen Eiszeit mit völlig anderen Bedingungen als heute. Auf diese Veränderung müssen wir reagieren, dafür steht das Programm "Berge in Bewegung". Dabei wird es darum gehen, die Sektionen einzubinden, zum Beispiel in einer gemeinsamen Werkstatt, um das Thema dort besser zu platzieren. Außerdem wollen wir mit der Forschung zusammenarbeiten, zum Beispiel mit Hochschulen. Unter anderem müssen wir Hüttenstandorte auf ihre Zukunftsfähigkeit prüfen und uns Gedanken um die Folgen machen, sollte diese Zukunftsfähigkeit eben nicht gegeben sein.

Was ist mit den anderen alpinen Vereinen? Gibt es da gemeinsame Anstrengungen?

Wir sind mit dem ÖAV und dem Alpenverein Südtirol (AVS) eng verbunden. Die Interessenslage ist in der Regel ja auch ähnlich, daher versuchen wir schon, gemeinsame Wege zu gehen. Dieses Jahr gab es eine gemeinsame Präsidiumssitzung, in der beschlossen wurde, dass wir aktiver und mehr auf die Politik zugehen müssen. Wie kann die helfen? Sie kann uns finanziell unterstützen. Der ÖAV hat also im Rahmen des VAVÖ eine Petition gestartet, den Notruf aus den Alpen. Dabei geht es genau um diese Klimathemen und die Auswirkungen auf die Infrastruktur. Das machen wir gemeinsam, allerdings erhofft man sich in Österreich durch die diesjährigen Parlamentswahlen, die Politiker etwas eher zu erreichen. Wir gehen hier also tatsächlich Hand in Hand vor. Der ÖAV findet unsere volle Unterstützung und wir bitten auch unsere Mitglieder um Unterstützung. Auch wer Mitglied im DAV ist, kann die Petition unterschreiben. Es werden dadurch ja nicht nur die ÖAV-Hütten unterstützt, der DAV hat ähnlich viele Hütten in Österreich. Und auch die österreichischen Politiker kennen die EU-Rechtslage, sie können nicht nur die ÖAV-Hütten unterstützen und die deutschen nicht. Da haben wir keine Bedenken und daher stehen wir auch hinter dieser Petition. Sie ist ein wichtiger Baustein. Dennoch machen wir uns natürlich stetig Gedanken über weitere Maßnahmen.


 Das vollständige Gespräch mit Ernst Schick gibt's in der aktuellen Ausgabe der Bergnews: