Wieder einmal hatte Lutz eine Bergtour in seinem geliebten Bergell angeboten. Diesmal sollte es von Hütte zu Hütte von Ost nach West auf dem berühmten Bergeller Höhenweg gehen („Badile-Trekking“ mit Albigna-, Sciora-, Sasc Furä und Brascahütte).
Um es gleich vorweg zu sagen: es war eine Wucht!
Traumlandschaft mit atemraubender Kulisse und allerfeinstem Granit – sensationell!
Mit dabei sind Konrad, Uli und Ali, Gerlinde und Markus, Hildegard und Benno, Werner.
Einige von ihnen sind schon auf früheren Bergeller Touren mit dabei gewesen, für andere ist diese Region Neuland.
Angesichts der doch etwas längeren Anfahrt hat Lutz eine 5-Tagestour zusammengestellt. Während der Hinfahrt regnet es und schon auf dem Weg zur Seilbahn müssen wir die komplette Regenbekleidung auspacken, die wir danach aber nicht mehr brauchen sollten.
Es geht am Nachmittag mit der Seilbahn hoch zum Albigna-Stausee (2163m), von dort ist es nur noch eine knappe Stunde bis zur Hütte (2336m).
Fast unwirklich erscheinen die Bergriesen, die sich rund um den Stausee erheben, ein Nebeneinander moderner Technik und atemberaubender Bergkulisse. Der Stausee wurde 1955-1961 angelegt und versorgt noch heute die Stadt Zürich mit Strom (20%). Zu unserer Überraschung können wir hier Kunst erleben: „Arte Albigna“ – ein Kunstraum unter freiem Himmel rund um den See mit den unterschiedlichsten Installationen und Kunstobjekten (übrigens noch bis zum 30.9.2017 zu sehen und sicherlich wird es im nächsten Jahr ab Anfang Juli wieder etwas Ähnliches geben). Das Thema in diesem Jahr ist die Bedeutung der Kraft des Wassers für die Gewinnung von Strom und die grundlegende Veränderung des Lebens im Bergell durch den Bau des Stausees – sehr interessant, witzig und ungewöhnlich. Was für ein Auftakt für unsere Tour! So begleiten uns diverse Kunststationen und Klangobjekte bis zur Hütte, erläuternde Texte zum Lesen, zum Glück haben wir Zeit und Muße uns darauf einzulassen. Nach Bezug unseres Lagers bleibt dann auch noch etwas Zeit, höher zu steigen, die Landschaft auf uns wirken zu lassen. Doch Wolken drücken herab, es wird kalt. Trotzdem haben wir Glück, wir sehen Steinböcke. Während des Abendessens regnet es noch einmal, doch wir bekommen davon nicht viel mit.
Am nächsten Morgen sind die Regenwolken verschwunden. Wir laufen noch einmal über die Staumauer, lassen alle Töne erklingen, um dann Richtung Cacciabella-Pass (2897m) aufzusteigen. Mit Hilfe von Drahtseilen lässt sich der Pass gut erklimmen, nur ein kleines Schlupfloch, dann ist der Blick nach Westen frei. Dahinter geht es dann wieder an Drahtseilen entlang und auf vielen langen Leitern runter bis zum Geröllfeld. Bald schon kann man unser Tagesziel ausmachen, die Sciora-Hütte (2118m). Sie gilt aufgrund ihrer spektakulären Lage als eine der schönsten Hütten der Alpen. Gleich nebendran grüßt der Pizzo Badile mit seiner berühmten Nordkante. Lutz ist hier schon geklettert, 23 Seillängen, Ali und Uli juckt es allein schon beim Anblick in den Fingern… Gleich in der Nähe können wir das sogenannte Bügeleisen ausmachen, auch hier gibt es tolle Klettertouren. Allerdings ist dieses Gebiet, genau wie auch die Moräne daneben, zur Zeit gesperrt. 2011 gab es einen Bergsturz am Pizzo Cengalo, der das Tal verwandelt hat. Weitere, sogar noch größere Bergstürze sind prophezeit. Und in der Tat, kaum sitzen wir nach unserem Abendessen im Sonnenschein auf der Terrasse und genießen den grandiosen Rundumblick, hören wir ein Rumpeln, das langsam immer lauter wird. Eine Riesenstaubwolke bildet sich….. Das Gleiche wiederholt sich am nächsten Morgen. Was für ein Spektakel.
Von daher wissen wir dann doch ganz genau, warum unser Weg am nächsten Tag nicht über die Moräne gehen soll, sondern zunächst hinab ins Bondasca-Tal (1377m) und danach wieder hinauf zur Sasc-Furä-Hütte (1984m)… Wunderschön ist hier den Wechsel erleben zu können zwischen rauer Granitlandschaft, lieblichen Lärchenhainen und blumenreichen Almwiesen. Bevor dann der Weg wieder steil bergan verläuft, gönnen wir uns noch eine Pause am Bach, Lutz ist mutig und nimmt ein Vollbad, er strahlt!
Die Sasc-Fürä-Hütte hat auch eine traumhafte Lage. Zwar ist diese nicht ganz so spektakulär wie die der Sciora-Hütte, doch eingerahmt von Lärchen wirkt diese Hütte sehr heimelig. Die umlaufende Terrasse, auf der man den Sonnenuntergang beobachten kann, ist einfach wunderschön. Vor dem Abendessen steigen wir auch hier noch etwas höher Richtung Pizzo Badile und rasten kurz vor dem Einstieg zur Nordkante. Was für ein Wetter, wir genießen die warmen Sonnenstrahlen, die Aussicht und Ruhe, beobachten die letzten Kletterer und fühlen uns dem Himmel ganz nah…
Zurück an der Hütte bleibt bis zum Abendesssen noch Zeit für eine Yoga(!)-Sequenz. Lutz, Gerlinde und Konrad lassen sich darauf ein und machen ihre ersten Yoga-Erfahrungen. Sie schauen danach sehr entspannt aus…. Wieder ein toller Tag, der zu Ende geht.
Für den nächsten Tag ist eine lange Wegetappe geplant, von daher ist frühes Aufstehen angesagt. Wir gehen zum Trubinasca-Pass (2701m) hinauf, leichte Kletterei steht auf dem Programm, der Granit ist wunderbar griffig. Weiter geht es zur Biwakschachtel Pedroni del Prà (2592m). Hier lassen wir einen Teil unseres Gepäcks, um auf die Punta Trubinasca zu steigen (2918m). Der Anstieg führt über große Granitblöcke, jeder Schritt muss vorsichtig gesetzt werden, die Steine klacken. Zum Teil ist auch wieder etwas Kletterei angesagt. Und dann werden wir am Gipfel wieder belohnt: eine grandiose Aussicht, auch wenn der Badile etwas von Wolken eingehüllt wird. Doch was für ein Blick auf die Gletscher, ihre Abrisse, den Gletschersee, welche Weite und dann: ein Adler!
Der Abstieg führt uns ins Codera-Tal, er ist lang und auch anstrengend, wir spüren, dass wir schon einiges getan haben an diesem Tag und brauchen unsere volle Konzentration. Mit heißen Füßen, aber glücklich laufen wir zur Brasca-Hütte (1304m). Noch ein kurzes Fußbad im Märchenwald und dann haben wir es geschafft. Ein Schutzengel hat uns an diesem Tag begleitet….zum Glück!
Am nächsten Tag heißt es weiter absteigen im Codera-Tal bis hinunter nach Novate (212m). Doch geht das nicht ohne einen Stopp im malerischen Codera, Kastanienkuchen und ein guter Espresso – dafür muss noch Zeit sein. Die kleinen Häuser, steinbedeckt, sind liebevoll hergerichtet. Nicht nur alte Menschen wohnen hier, auch junge. Trotzdem scheint
die Zeit stehengeblieben zu sein. Wir wandern weiter und tauchen ein in einen Wald voller Esskastanien. Der alte Römerweg beeindruckt durch seine Stufen und Platten. Wie viele Generationen haben wohl daran gebaut?
Plötzlich dann der Blick bis hin zum Comer See, die Luft wird weicher, südländischer. In Novate begrüßen uns Palmen, überall blühende Gärten.
Hier nehmen wir den Zug bis nach Chiavenna, danach steigen wir in den Postbus um, kommen an den Wasserfällen von Piuro vorbei und gelangen bald nach Promotogno, wo unsere Autos geparkt sind. Noch wollen wir nicht heim fahren, wir nutzen das gute Wetter und besuchen Soglio, eines der schönsten Schweizer Bergdörfer. Und es hält, was uns Lutz versprochen hat! Ein verwinkelter kleiner Ort, hingeschmiegt an den Berg, enge Gassen, altes Pflaster und hinter einem alten Palazzo ein Traumgarten: duftender Phlox, Buchshecken, alte Mammutbäume und noch einmal der Blick auf die Bergketten, die uns inzwischen vertraut geworden sind. Ohne Lutz hätten wir all das nicht gefunden. Zum Abschied lädt er uns noch zu einem Abschiedseis mit Schlagrahm ein – köstlich.
Nicht nur dafür Dank, lieber Lutz, sondern ein großes Dankeschön dafür, dass Du uns „Dein“ Bergell gezeigt hast, wir sind infiziert!